Texte aus dem Jahr 1996
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Fehlerkorrektur

Ein Text über verschiedene Möglichkeiten in der
letzten Zeit in Braunschweig Kunst zu sehen.
(Ein Text über Kommuniikation über diese Möglichkeiten.)
Ein Text über Sichtweisen auf diese Möglichkeiten.
(Ein Text über Kommuniikation über Sichtweisen.)
Ein Text über Möglichkeiten.
(Ein Text über Kommuniikation.)

Jede Kommuniikation ist eine Auswahl aus ver-
schiedenen Möglichkeiten. Sie ist selektiv. Das ist nicht
nur nicht zu vermeiden, sondern eine Voraussetzung.
Kommuniikation ist Kommuniikation, wenn sie ein
(ausgewähltes) Ereignis mit einem anderen
(ausgewählten) Ereignis verknüpft.

Kommuniikation bezieht sich auf das, was vor dem
Beginn der (dieser) Kommuniikation Kommuniikation
war und auf das, was nach dem (ihrem) Ende
Kommuniikation sein wird.
Kommuniikation ist Kommuniikation, wenn sie nicht
Verbundenes verbindet. Es kann nur miteinander
kommunizieren, was voneinander getrennt ist und sich
zugleich wechseliweise wahrnimmt, sich wahrnehmend
wahrnimmt.

Die drei Kriterien für Kommuniikation:
1. Selektivität
2. Anschlußfindung
3. wechseliseitige Wahrnehmung
lassen sich möglicherweise zu einem Kriterium zusam-
menfassen: Kommuniikation ist Fehlerkorrektur. Kor-
rektur von Fehlern, die in der Kommuniikation begangen
werden.
Wer Fehler macht, hätte auch anders handeln können
(Selektivität).

Wer einen Fehler erkennt sucht nach der Ursache
(Anschlußfindung).
Wer einen Fehler findet, findet nicht nur einen Fehler,
sondern auch, wie er einen Fehler findet (wechselseitige
Wahrnehmung).


Es kommuniziert, was Fehler korrigiert.

Über folgende Möglichkeiten in der letzten Zeit Kunst in
Braunschweig zu sehen werde ich schreiben:

1. "mixed pickles" in der Galerie KK im Fisch
2. "Fremdenzimmeri" in der Jahnstraße
3. "Weihnachtsausstellung" in der Studiogalerie in der
xxxHBK Braunschweig
4. "Bilder vom Wandeli", in den Räumen des Landes
xxXmuseums Hinter Ägidien
Allen Ausstellungen gemeinsam ist eine Eigenschaft der
Aussteller: Sie sind Studenten bzw. eben erst Ex-
Studenten geworden.


1. Die Ausstellung "mixed pickles" war eine Gruppen-
ausstellung von 7 Studenten vom 9.12.1995 bis zum
7.1.1996.
Der Name ‘Mixed Pickles’ verweist auf die gleichnamige
Methode, Gemüse süßsauer einzulegen: verschiedene
Künstler sollen ein schmackhaftes Ganzes ergeben. Bei
den Teilnehmern handelt es sich um einen losen Zu-
sammenschluß der ‘älteren Generation’ der Fotoklasse,
die sich alle schon länger kennen. Die Gruppe fand sich
annähernd zu dieser Konstellation zusammen als
Reaktion auf eine Anfrage des Kunstvereins Aurich an
die Hochschule, der Fotokünstler ausstellen wollte. Es
ist keine Künstlergruppe mit einem gemeinsamen
Programm und sie wird so aller Wahrscheinlichkeit nach
nie wieder ausstellen. Ziel der Gruppe war es, die Ar-
beiten so zu präsentieren, daß sie aufeinander einge-
hen, miteinander kommunizieren.
Es gab eine Einladungskarte, ein Plakat und eine Eröff-
nungsrede. Die Plakate hingen sehr kurzfristig, haupt-
sächlich in der HBK. Die Einladung kam 2 Tage vor der
Eröffnung. Die Einladungskarte und das Plakat wurde
von Gruppenmitgliedern entworfen. Zur Eröffnung stellte
der Veranstalter einen Redner.
Die Galerie besteht aus einem Raum.

2. Die Ausstellung "Fremdenzimmeri" war 30 Parallel-
ausstellungen von 30 KünstlerInnen an 30 verschie-
denen Orten in einer Straße die zeitgleich eröffnet
wurden.
Die Dauer der Ausstellung war 3 Tage (15. -
17.12.1995). Es gab einen von einer Jury vergebenen
Geldpreis für den besten Raum, zu gewinnen für
Teilnehmer, die an der HBK eingeschrieben sind. Es
nahmen allerdings nur eingeschriebene Studenten an
dem Ausstellungsprojekt teil, obwohl es keine
Zulassungs beschränkungen gab. Die, die am
Wettbewerb teilnehmen wollten (es waren nicht alle),
mußten sich extra dafür anmelden. Insgesamt war alles
sehr kurzfristig, innerhalb von 5 Wochen, von einer 4-5
köpfigen Gruppe von Studenten organisiert worden.

Die genutzten Räume waren sehr unterschiedlich:
Kellerräume, Treppenhäuser, Zimmer und Flure in
Wohnungen, Dachböden und Orte in der Straße.
Ebenso unterschiedlich waren die Arbeiten der Aus-
steller. Zur Orientierung gab es einen Lageplan der
Ausstellungsräume mit einem Verzeichnis der Teil-
nehmer.
Es gab eine, von der Vorbereitungsgruppe gestaltete,
Einladungskarte, kein offizielles Plakat und eine, von
einem der Organisatoren gehaltene Eröffnungsrede.
Zwischen den Häusern 7a und 8a wurde aus einem
Bauwagen heraus Glühwein verkauft.

3. Die Weihnachtsausstellung war eine Gruppenaus-
stellung von etwa 20 Studenten in der Studiogalerie der
HBK am 16. und 17.12.1995 mit dem Ziel preiswerte
und verkäufliche Kunst vor Weihnachten zu präsen-
tieren. Jeder, der an den Tagen vorher Arbeiten anlie-
ferte, konnte teilnehmen.
Die erste Weihnachtsausstellung von Studenten gab es
1989 in der Galerie Comat in der Leopoldstraße, einem
Ausstellungsraum einer Braunschweiger KünstlerInnen-
gruppe, die sich aus StudenInnen der HBK zusam-
mensetzte. Neben Studentenarbeiten wurden auch
Arbeiten von Professoren der HBK gezeigt. Diese Idee
ist 1994 von einem der Ex-Comatler wieder aufgegrif-
fen worden. Diesmal fand die Ausstellung in der Studio-
galerie der HBK statt. Da relativ gut verkauft wurde,
sollte 1995 in der Galerie (vor der Aula) ausgestellt
werden. Aus organisatorischen Gründen fand die
Ausstellung doch wieder in der Studiogalerie statt.
Es gab eine Vorankündigung in der Braun-schweiger
Zeitung, Glühwein und Kekse.

4 "Bilder vom Wandeli" (mit dem Untertitel "Malerei -
Installation) war eine Einzelausstellung von Marc
Podransky vom 3.12.1995 bis zum 7.1.1996.
Marc lehnte telefonisch alle Auskünfte mit dem Argu-
ment, die Ausstellung sei vorbei, ich hätte früher
kommen müssen, ab. Mehrmalige Hinweise darauf, daß
ich an formalen Informationen interessiert sei, halfen
nicht weiter. Als ich die Ausstellung besuchte, war Marc
anwesend: ich hatte keine Fragen.



Können Menschen kommunizieren?

(Können Menschen über Ausstellungen kommuni-
zieren?)
Es ist hier nicht der Kommuniikationsbegriff im Sinne von
Paul Watzlawick (‘du kannst nicht nicht kommunizieren’)
gemeint.
Menschen als Teil eines sozialen Systems, welches die
nötigen Voraussetzungen von Selektivität, Anschluß-
fähigkeit und wechselseitiger Wahrnehmung schafft,
können kommunizieren.
(Einen Teil dieser Voraussetzungen schafft Kunst. Kunst
ist ein Teil dieser Voraussetzungen.)
Analog zur These von Watzlawick könnte man formul-
ieren: ein Künstler kann nicht nicht Kunst machen - ich
bitte darum, sich einen Moment lang die Folgen vorzu-
stellen und sich dann mit mir zusammen endgültig von
diesem Kommunikationsbegriff zu verabschieden.
(Ein Künstler arbeitet in einem selbst definierten, indi-
viduellen Bezugssystem so, daß andere Menschen im
Arbeitsergebnis ihre Erfahrungswelt widergespiegelt
sehen. Es findet keine Fehlerkorrektur statt.)

Die eben entwickelte Anschauung von Kommuniikation
schließt vieles aus, was bis jetzt Kommuniikation war:
Die Kommuniikation (ab jetzt besser die Zwiesprache)
eines Individuums mit sich selbst.
Die Massenkommuniikation durch Presse, Rundfunk und
Film.
Ein Individuum braucht die Kommunikation, um sein Bild
von Welt entwickeln, seine Wahrnehmung prüfen zu
können. (Ein Individuum braucht Kommuniikation, um
sein Kunstverständnis entwickeln zu können.)
Bei den Massenmedien ist keine direkte Rückkopplung
zu den akustischen und/oder visuellen Botschaften
möglich.

Der Künstler erfüllt mit seiner Zwiesprache mit sich nicht
das dritte Kriterium der Kommuniikation. Auch sein
Arbeitsergebnis - die Kunst - erfüllt nur die ersten beiden
Kriterien: Selektivität und Anschlußfindung. Die wechsel-
seitige Wahrnehmung läßt sich nur zeitlich verzögert
einrichten: durch eine öffentliche Präsentation.
(Der Atelierbesuch gilt mehr der im entstehen begriffe-
nen, noch nicht am endgültigen Ort angekommenden,
Arbeit.)
Eine direkte Rückkopplung findet nicht statt, das
Bedürfnis vieler Kunstbetrachter, den Produzenten der
Kunst kennenzulernen, ist deshalb oft groß.
(Kunst ist auch Erinnerung an stattgefundende Kommu-
niikation und festgestellte Gemeinsamkeiten.)

Ausstellungen sind der Ort und Anlaß zu Fehlerkor-
rektur.

Wobei es weniger um Werkimmanente Fehler geht.
Glenn Gould sagte einmal über seine erste Einspielung
der Goldberg Variationen von J.S.Bach (in einem Ge-
spräch mit Joseph Roddy): "... Wissen Sie, die Auf-
nahme ist einfach überaus ‘pianistisch’, und das ist so
ziemlich das Schlimmste, was ich einer Interpretation
vorwerfen kann."
Ausstellungen sind für Kunst die Möglichkeit, einer
wechselseitigen Wahrnehmung angenähert zu werden.
Die Tendenz, in Ausstellungen das Ausstellen zu thema-
tisieren hängt auch mit diesem Bedürfnis zusammen. Da-
durch, das etwas sich selbst thematisiert, ist aber noch
keine direkte Rückkopplung mit dem/den Anderen
entstanden, sie ist nur scheinbar nähergerückt.

Im folgenden werden Eindrücke aus und Kritiiken zu den
einzelnen Ausstellungen vorgestellt. (Kommentare bzw.
Texte von anderen sind kursiv gesetzt und sollen nicht
das gesamte Meinungsspektrum abbilden):

1. ‘mixed pickles’: "Man kann die Unfähigkeit eines
Redners nicht den Künstlern anlasten, über deren
Werke er zur Eröffnung einer Ausstellung spricht.
Insofern sind die Teilnehmerinnen von mixed pickels in
der Galerie KK im Fisch zunächst entlastet. Wir hörten,
die ausgestellten Werke kommunizierten miteinander,
sie spannten den Raum auf, gingen auf ihn ein. Wer das
vernommen hatte, suchte mit den Augen vergeblich
nach diesem Miteinander, das angeblich aufgespannt
war. Der Raum der Galerie ist nicht leicht zu bespielen,
denn er besitzt die white cube Qualitäten leider nicht.
Das allerdings schien niemanden zu stören, die Aus-
stellenden ignorierten den Raum einfach. Der Redner
sprach über einen anderen Raum. Weder die Raum-
höhe war einbezogen, noch der schräg-begrenzte
Grundriß, noch die diversen Unterteilungen der Wände
durch Fenster, Elektroleitun-gen und ähnliches. Die
ausgestellten Arbeiten markierten die uninteressanten
Stellen im Raum."
"Man konnte die einzelnen Künstlerpersönlichkeiten
nicht ausmachen, es gab einen sehr homogenen Ein-
druck: ziemlich langweilig." "Da die meisten Arbeiten
schon mal zu sehen waren, z.B. auf dem letzten Rund-
gang in der HBK, langweilte ich mich. Die Ausstellung
war "zu nah" an der HBK."

2. Kommentare zum "Fremdenzimmer":
"Kunstschnitzeljagdt"; "Ich habe viel Spaß gehabt, sollte
so oder ähnlich wieder stattfinden"; "...auf die Räume
und die Ausstellungsform wurde zu wenig Bezug ge-
nommen."; "Die Aussteller waren am begeistertsten,
freuten sich über den Austausch wie Teilnehmer einer
Plattenbörse."; "...tolle Atmosphäre."; "Es war einfach
schweinekalt!"; "Alles hat sich verkunstet, weil man
überall Kunst suchte und erwartete, so wurden die
Weihnachtslichter in fast allen Fenstern eines Hauses
die beste Arbeit."; "...ungewohnte Situation, abenteu-
erlich."

3. Zur Weihnachtsausstellung war der Tenor am
klarsten (wie auch das Bedürfnis sich zu äußern): "Eine
Zumutung..."; "Darf in dieser Form nie wieder statt-
finden..."; "Stimmung wie auf einem Weihnachtsbasar
einer engagierten Hortgruppe..."; "Ich war so empört,
daß ich drauf und dran war, einen geharnischten Artikel
für die BZ zu schreiben..."
.
Ich fand es übrigens sehr schade, daß dieser Artikel
nicht zustande kam.
"Es war nicht so gut wie das letzte Mal, aber ich habe
etwas verkauft."
Möglichkeiten, eine Weihnachtsausstellung besser zu
gestalten, fielen allen ein. Selber eine solche Veran-
staltung verantworten wollte niemand.

4. Marc Podransky: "Eine schwierige Ausstellung"; "Ein
markiges Plakat und der Titel ‘Bilder vom Wandel’
weckten Erwartungen, die nicht erfüllt wurden. Man
hoffte auf eine ausgefuchste Theorie, die Spaß macht,
bzw. kunstgeschichtlich fundiert und präzise ist."
Die Ausstellung von Marc Podransky ist die erste Aus-
stellung eines Braunschweiger (Ex-)Studenten, für die
ich Eintritt bezahlt habe. "Marc ist der erste, der es ge-
schafft hat, eine Ausstellung zu etablieren, zu der man
Eintritt zahlen muß."
Als er dann auch in der Ausstellung
anwesend war, habe ich sofort meine 2,50 DM zurück-
gefordert. Er fand es gar nicht lustig. War es auch nicht.
"Der Eintritt war fast das Beste an der Ausstellung. Im
Prinzip befürworte ich Eintritt, nur sollte er als inhaltliche
Komponente mitbehandelt, die symbolische Funktion
von Geben und Nehmen thematisiert werden."
Die drei Räume, die Mark zur Verfügung hatte, sind sehr
schön und architektonisch so beeindruckend, das der
erste Gedanke der ist: Hier stört eigentlich jede weitere
Zugabe. Der nächste Gedanke: Hier kann sich nur der
gut aus der Affäre ziehen, der gezielt Arbeiten für diese
Räume herstellt.
Nun, schon im ersten Raum war auf den ersten Blick
klar, das weder Arbeiten gezielt für den Ausstellungs-
raum angefertigt wurden, noch das sie gut präsentiert
waren. In diesem Raum befanden sich 6 Vitrinen, davon
vier gleichmäßig verteilt an der einen Längswand. Die Art
und Weise, wie der Künstler in den Vitrinen kleine Bilder
und im restlichen Raum Objekte präsentierte, war enttäu-
schend. "Die gemalten Bilder: Farbige Zeichen mit
leichter Hand zügig auf die Leinwand gesetzt und nicht
mehr verändert. Nichts ist hier von einem mühevollen
Malprozeß zu spüren. Sind diese Bilder ‘fertig’, sollen sie
noch bearbeitet, verwandelt werden? Aber wann?"
(Inka
Janssen, BZ). Zusätzlich der Eindruck: sie haben ihm
verboten, Nägel in die Wände zu schlagen.
"Weniger wäre hier allerdings mehr gewesen. Die histo-
rischen Räume haben ein starkes Eigenleben, so daß
die zahlreichen Arbeiten teilweise die sensible Atmos-
phäre der Räume verletzen und dadurch sich selbst
zerstören. Die einzelnen künstlerischen Zuordnungen
erschlagen sich selbst und überfordern den Be-
trachter"
(BZ).


Ist Kunst Kunst bevor sie gesehen wird?
(Ist Kunst Kunst bevor sie im System Kunst kommuni-
ziert wird?)

Und wenn Kunst gesehen wird, ist nicht der Blick
wesentlich mitbestimmt durch vorangegangende
Seherfahrungen?
Wenn Kunst als etwas Unerwartetes, nie gesehenes
erblickt wird, dann muß ein Urteil jenseits der eta-
blierten Bezugssysteme gefällt werden. Die gewohnten
mentalen Bezugssysteme können nur modifiziert
werden, wenn man erkennt, nach welchen Vorstel-
lungen man bisher geurteilt hat.

Meine Vorstellung vom Ausstellen sah so aus: Man stellt
aus, um sein Bestes zeigend seine künstlerische
Position darzustellen und (als Student) das Ausstellen
zu lernen. Eine Ausstellung ist die Gelegenheit zur Aus-
einandersetzung mit anderen vor den Originalen in einer
idealen Situation.

Ich versuche nun, mich in die Bezugssysteme der Weih-
nachtsausstellung hineinzudenken. Das Ziel der Ausstel-
lung war Kunst zu verkaufen. Und zwar an ein Publiikum,
das vor Weihnachten bis zu 200,- DM für Kunst ausge-
ben will und kann. Die Form der Präsentation (Basar)
und die Auswahl der gezeigten Arbeiten (orientiert an
den vermuteten Bezugssystemen des Zielpubliikums,
den potentiellen Käufern) entsprachen diesem Ziel. Das
meiste war nett, kunsthandwerklich oder bezog sich auf
den Anlaß der Ausstellung: Weihnachten. Keiner der
Teilnehmer erwartete durch eine Beteiligung an der
Ausstellung für den Kunstmarkt oder für das System
Kunst (als dem Ort, wo Kunst kommuniziert wird) ent-
deckt zu werden. Eine Inszenierung der Arbeiten war
nicht nötig und möglich, die Kunst wurde auf ihre deko-
rativen Möglichkeiten reduziert.
Die Form der Ausstellung entsprach ihrem Ziel. Es war
trotzdem keine gute Ausstellung, weil:
1. die Präsentation lieblos war;
2. viele der gezeigten Arbeiten nicht (noch nicht mal)
XXden oben beschriebenen Kriterien gerecht wurden;
3. das gesteckte Ziel zu unreflektiert und damit zu un
XXintelligent erreicht werden sollte.

Mein erstes Problem mit der Ausstellung ‘mixed pickles’
war, daß ich fast alle ausgestellten Arbeiten schon ein-
mal (oder mehrfach) auf Rundgängen oder bei Atelier-
besuchen gesehen hatte. So wurde mein zweites
Problem für mich noch gewichtiger: ich fand die Be-
spielung des Raums, die Präsentation der Arbeiten nicht
gut. Ich glaube nicht, daß man in dem Raum der Galerie
eine ‘normale’ Ausstellung zeigen kann. Trotz eines
gewinnbringenden Gesprächs über eine der gezeigten
Arbeiten, machte sich schließlich deutlich mein drittes
Problem bemerkbar: die Ausstellung machte mir keinen
Spaß.

Viel Spaß hatte ich mit dem ‘Fremdenzimmer’. Und das
nicht nur, weil ich einer der Mitorganisatoren war.
Anke Fischer schreibt in dieser Ausgabe über das
Ausstellungsprojekt.

Ich glaube schon zu ahnen, was Marc Podransky be-
wegt und wie er zu der Form seiner Ausstellung gekom-
men ist. Nur stellt sich bei mir sofort eine instinktive
Abwehrhaltung ein, wie um den Kontakt mit etwas Unge-
sundem und Kräftezehrenden zu vermeiden. Mich
irritiert der folgende Widerspruch: der offensichtliche
Glaube an die Kunst, als seien wir noch in der
klassischen Moderne und das gleichzeitige Arbeiten mit
einem betont individuellen, für mich nicht wirklich nach-
vollziehbaren, Bezugssystem. So führt Gespür und
Sensibilität (Intuition) zu einer ästhetischen Oberfläche
(Kunst), die nichts mehr einlöst. Das er diese Phänomen
als Offenheit noch forciert, macht deutlich, daß er sich
des Problems bewußt ist. Nur ist er gar nicht offen, son-
dern sehr eingesponnen in sein System. Wohler wäre
mir, wenn ich mehr Distanz und Ironie finden würde.

Hannes Kater
veröffentlicht in:
Hauspost Nr.2 / Zeitung der HBK Braunschweig, 1996




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