Texte aus dem Jahr 1997
 
DIE REDE  kurze Version

1. Ich habe eine Zeichnung gemacht.
Jetzt suche ich die Geschichte zu dieser Zeichnung. Muß suchen, weil nichts mehr Geschichte hat. Aber ich Geschichte haben will.
Man kann nicht leben ohne Geschichte. Es gab Geschichte... früher. Zumindest als Idee. Schöne Idee. Und schön ist, was eine schöne Geschichte hat.


2. Wenn ich zeichne, produziere ich Zeichen.
Zeichen deuten auf Zeichen und Zeichen deuten auf Bedeutung.
Ich setze Zeichen in Relation, verknüpfe sie und schaffe so Verhältnisse. Zeichen, die sich aufdrängen, verwende ich häufiger und entwickele sie weiter. Ich nenne sie Darsteller.

Wichtiger als jedes Deutungsresultat eines Zeichensystems einer meiner Zeichnungen – es gibt keine sichere endgültige Deutung für eine einzelne Zeichnung; es gibt keine vollständige Legende zu den Zeichen einer einzelnen Zeichnung – ist mir die Erkenntnis des Deutungsverfahrens, das Grundlage für die Entscheidungen während des Zeichnens ist.

Dieses Zeichnungsverfahren bildet meine Arbeit und zeigt sich in den Zeichnungen. Auf dem Zeichenblatt wird aus dem Verfahren, einmal in Gang gesetzt, ein Erfahren.


3. "Pfeile kann man immer malen."
Dieser Satz beinhaltet auch gleich den wichtigsten Hinweis, wie Pfeile
anzufertigen sind:
Pfeile darf man nicht zeichnen. Man muß sie malen.

Gezeichnete Pfeile sind verquälte Pfeile und wer mag die schon.
Zudem entstehen, wenn so ein Pfeilmacher sich quält, eh nicht viele Pfeile. Es stockt die Produktion, was immerhin den Vorteil hat, daß die verquälten Pfeile einem nicht die Laune verderben.

Wichtig ist also das richtige Tempo.
Linien sind nicht zu zeichnen, sondern zu malen.
Und: man muß Linien so langsam malend locken und ziehen, daß die Augen immer auf der Höhe des Geschehens bleiben und man so, lansam und aufmerksam genug, immer die richtigen Entscheidungen treffen kann.


4. Die Rolle des Zusammensetzens von Nichtzusammengehörigem, nicht zueinander Passenden, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden...
Vom Geschichtenerzählen hat sich Godard im Grunde schon längst verabschiedet und ist unter die Dichter gegangen. Seine Arbeiten lassen sich nur noch wie Gedichte genießen, bei denen man auf das Echo wartet, das die Seele von den Bildern zurückwirft.

Man erinnere sich nicht mehr, sagt er in den Histoire(s), an das Was, Wie und Warum der Filme Hitchcocks, aber "Man erinnert sich an ein Auto in der Wüste, ein Glas Milch, eine Brille, einen Schlüsselbund, weil mit ihnen und durch sie Alfred Hitchcock gelingt, woran Alexander der Große, Julius Caesar und Napoleon gescheitert sind - Kontrolle über die Welt zu erlangen."


5. Die Natur des Gegenstands selbst nötigt mich, die Zeichenwelt kreuz und quer, nach allen Richtungen hin zu durchreisen.
Die Linien und Zeichen stehen in einem verwickelten Netz zueinander, besser aufgehoben in vielen kleinen Arbeiten. Die gleichen Punkte - oder beinahe die gleichen - werden stets von neuem von verschiedenen Richtungen her berührt, umkreist.
Die Vorstellung von Netzen, mehrerer Netze, die sich durchdringen. Und Netzstränge werden zu Themen - bestimmend bei der Präsentation meiner Zeichnungen.


6. Vorhin gab es diese Zeichnung noch nicht.
Die Zeit, in der ich sie gemacht habe, ist vorbei.
Jetzt gibt es diese Zeichnung.
Ich - zum Glück gibt es diese Zeichnung...
ich - wenn ich nicht diese Zeichnung schauen könnte...
ich würde nichts begreifen.


7. Jede Zeichnung bringt etwas zu Ende.
Zu einem kleinen Ende. Und jedes kleine Ende bringt etwas zur Kenntlichkeit.
Und dann?
Dann fange ich eine neue Zeichnung an. Und mache mir Gedanken, wie ich alles ordne, anordne - bis eine Ordnung ein kleines Ende ist.
Große Enden gibt es nicht.


8. Aufzeichnungssysteme (und Aufzeichnungstechniken).


9. Ich habe eine Neigung zu komplexen, verwickelten Zeichnungen:
Überfluß an Schönheit, Überfluß an komprimierter Wahrnehmung: Unerschöpflichkeit... da muß doch was eingezeichnet sein, gespeichert sein in so einer Zeichnung.
Es zeichnet eine Zeichnung, wenn ich in Verbindung mit ihr war, diese auf. Doppelt auf: zum einen zeichnet sie sich ein, beeinflußt das Ergebnis. Und zum anderen wird die Zeichnung ein Speicher, ein Speicher von Gefühlen, die ich zu der Zeit, als ich die Zeichnung machte, hatte... mit der Möglichkeit der Erinnerung beim Wiederansehen der Zeichnung.

Hannes Kater

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