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Vorspiel | Die Geschichte mit dem Roob oder: Wie ist der folgende Text "Über die Kunst des Zeichnens" von Alexander Roob zustande gekommen ist. [Nachtrag aus dem Dez. 2005, nachdem ich immer noch alle paar Monate auf die Buchbesprechung angesprochen werde und immer wieder die hier jetzt im Folgenden kurz wiederge- bende Geschichte dazu erzähle.] Also: Im April 2002 gab Stephan Berg anläßlich des Symposiums "Blindflug?" im Kunstverein Hannover eine kleine Einführung in das Thema "Krise der Kunstkritik" und brachte dabei unter anderem ein Statement von Alexander Roob, nachdem es kaum einen gesellschaftlichen Bereich, der konservativer und konformistischer" sei als der Kunstbetrieb, geben würde. [Vollständiges Zitat hier] Das gefiel mir sehr. Ich nahm also per Email Kontakt auf zu Roob, um ihn zu fragen, ob ich das zitieren dürfe. Er hatte nichts dagegen, fragte aber auch, ob ich seine Arbeit als Zeichner kennen würde. Ich antwortete, nach kurzem zö- gern, ehrlich, dass ich eine Buch-Veröffentlichung von ihm sehr schätzen würde, dass sie sogar mein theoretisches Diplomprü- fungsthema beim Michael Glasmeier gewesen sei, dass ich allerdings seine Zeichnungen nicht so dolle finden würde und dass ich auch schon während meiner Dipolmprüfung wegen die- ser Meinung mich hätte rechtfertigen müssen. Roob nahm's gelassen, legte mir aber seine neuste Veröffentlichung, nämlich "Richter zeichnen", sehr ans Herz, da gäbe es zum einen ein wirklich lesenswertes Interview mit ihm, zum anderen seien dort Zeichnungen veröffentlicht, die mir einen neuen, einen anderen, Blick auf seine Arbeit ermöglichen würden. Ich war neugierig und vertraute diesen Aussagen und bestell- te, da es das Buch bei Barbara Wien nicht vorrätig war, ein Exemplar. Ich war zu der Zeit ziemlich pleite und das Buch war nicht billig... der Erwerb hatte also Folgen auf mein Leben, weil ich anderswo sparen mußte. Deshalb war meine Enttäuschung besonders groß, als ich nicht nur wieder mit seinen Zeichnungen nichts anzufangen wußte und ich zu denen, die ich schon kannte, keine relevanten Unterschiede festzustellen konnte, sondern auch das Interview überhaupt nicht überzeugend fand. Ich war echt sauer, fühlte mich verschaukelt und da mir sowieso das Geld fehlte auszugehen, steckte ich einige Zeit in den nun folgenden Text. |
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Titel des Katalogs Richter zeichnen Foto von Axel Schneider |
Alexander Roob Über die Kunst des Zeichnens, Gerhard Richter und Bernard Buffet. Ausschnitte aus einem Gespräch von Alexander Roob und Andreas Bee. Aus: Richter zeichnen, Katalog mit Abbildungen von 158 Zeichnungen [Pittkreide (!)] in Originalgröße (14,8 x 21 cm) und 13 Fotos von Axel Schneider, Salon Verlag 2001 * mit Anmerkungen von Hannes Kater |
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ANDREAS BEE | [...] Wie ist deine Position zu der Malerei von Gerhard Richter im allgemeinen? Und was hat Dich an Richters Gemäldezyklus 18. Oktober 1977 im besonderen interessiert und gereizt? |
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ALEXANDER ROOB | Ich habe die Malerei von Richter immer als zu zeigefingerhaft und moralisch empfunden. [...]eine Realismusdiskussion des 19. Jahrhunderts, die bestimmt ist vom Körper- und Geistdualismus und vom Pathos eines Verlustes der Mitte, - alles Positionen, die für meinen Begriff heute völlig überholt sind. Den ewig korrekten Umgang mit dieser Bild-Abbild-Geschichte, dieses Insistieren, das Richter in all den doppelbödigen, aber eben auch völlig risikolosen Wendungen, die seine Malerei genommen hat, betreibt, empfinde ich persönlich als eine autoritäre Geste, auf die ich eigentlich nur mit Desinteresse reagieren kann. |
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1. Doppelseite mit Zeichnungen aus: Richter zeichnen von Alexander Roob |
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* Andreas Bee fragt ausdrücklich nach der "Konzeption" von Zeichnung und nicht etwa z.B. der Machart oder ... | ANDREAS BEE | Gehst Du in Deiner eigenen Konzeption* von Zeichnung nicht selbst von einem Verlust von Mitte und Ganzheit aus? |
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* Reine Behauptung durch Augenschein nicht nachvollziehbar... behaupte ich nun wiederum. ... Nur weil alle Zeichnungen gleich groß sind, unterscheiden sie sich nicht wesentlich von einzelnen Bildern in einem Comic. Und wie sich diese Zeichnungen von einem Storyboard unterscheiden sollen... ? Roobs Reihungen (z.B. in einer Publikation) sind, um es freundlich zu formulieren, einer anderen Dramaturgie verpflichtet, als ein Storyboard. Was erst mal bedeutet: seine Reihen sind deutlich langweiliger. Dafür kann er spontaner arbeiten, kann mehr aus der Zeichnung, zeichnend entwickeln... Über die Qualität einer einzelnen Abbildung sagt das noch nichts aus... |
ALEXANDER ROOB | Die dramatische Doktrin vom Verlust der Mitte, die Sedlmayr formuliert hat, hat in der Moderne zu allen möglichen Techniken der Fragmentierung geführt. Ich definiere für mich die einzelne Zeichnung zwar als Partikel, aber nicht als Realitätssplitter, der aus einem Bruch von Ganzheit resultiert. Im Gegenteil: kleine Partikel sind [also jede Zeichnung ist] monadologisch vollständig und integer, und jeder Partikel ist ein Pulsschlag der Wahrnehmung, der seine eigene Dauer hat und seine eigene Ausdehnung. In dieser Behauptung der Autonomie der Partikel liegt für mich auch der wesentliche Unterschied meiner Ansicht* von sequentieller Zeichnung zum Comic-Strip, der für gewöhnlich die Integrität seiner Partikel nicht wahrt, sondern einem Storyboard und anderen Zwängen und Vorgaben unterwirft. |
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ANDREAS BEE | Das Desinteresse an Richter hat dann aber doch zu einer produktiven Auseinandersetzung mit seinem Stammheim-Zyklus geführt. |
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ALEXANDER ROOB | Das Desinteresse an Richter war die Grundlage für die Idee und die Voraussetzung für die Durchführung des Zeichenprojekts. [...] Nachdem diese Mißverständnisse [um die Bilder] verraucht waren, was ist da viel mehr geblieben, als das, was die Bilder eben sind: delikate Oberflächen, die mit einer Menge Theatralik angereichert sind, für die nicht zuletzt Richter selbst in seinen Interviews gesorgt hat? |
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Die Konturzeichnung ist vielleicht das geeignetste Medium, um Theatralik zu neutralisieren. [...] | |||||||
* Dérive Technik des sich ablenken lassens, ungelenkt (Yeah! wegen dieser Aussage), unbewußt, ... |
Wenn ich mir jetzt mal im Nachhinein eine präzise Zielsetzung bei diesem Projekt unterstellen wollte, dann die, den Stammheim-Zyklus banalisieren zu wollen. Indem ich der starren Bild-Abbild-Rhetorik [??] und der pathetischen Figur des leeren Spiegels, die ich in den Bildern von Richter sehe, mit der situationistischen Technik des Dérive"* begegne, des Umherschweifens sowohl der Augen im Kopf, als auch des Stiftes auf dem Papier, als auch der Füße auf dem Parkett. [...] |
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2. Doppelseite mit Zeichnungen aus: Richter zeichnen von Alexander Roob |
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ANDREAS BEE | Ich erinnere mich noch sehr gut an die Nachricht vom Tod der Häftlinge Andreas Baader, Jan Carl Raspe und Gudrun Ensslin. [...] An den Tod der drei RAF-Insassen knüpfte sich sofort die Frage: Mord oder Selbstmord? Du hast am 18. Oktober 1977 Deinen 21. Geburtstag gefeiert. Wie sah Deine politische und emotionale Position in dieser Zeit aus? |
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ALEXANDER ROOB | Ich kann mich allgemein nur an ein beklemmendes Klima der Polarisierung und der Überwachung erinnern. [...] Im Gegensatz zu Dir kann ich mich allerdings nicht an die Nachricht vom Kollektiv-Tod in Stammheim erinnern. Es hat mich anscheinend nicht berührt. [...] |
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7. Doppelseite mit Zeichnungen aus: Richter zeichnen von Alexander Roob |
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Jeder Furz war zu der Zeit politisch relevant und mußte ausdiskutiert werden. Unsere Reaktionen darauf waren dadaistische Störmanöver und prä-punkartige Aktionen. [...] Velvet Underground, Brötzmann, U-Comix [...] Sex Pistols [...]. RAF, das war zu der Zeit eine fossile Vereinigung, die auf dem völlig falschen Planeten war. |
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* Wie man freiwillig und das über Jahre bei Petrick in Berlin am Fachbereich 6, der eigentlich Kunstpädagogen ausbilden sollte, studieren kann, ist mir ein Rätsel... Petrick ist eine wandelnde menschliche und künstlerische Zumutung. Dazu kam noch die inoffizielle Situation, also dass man dort eigentlich gar nicht freie Kunst studierte. So entstand in der Klasse ein prima Klima für Masochisten (Opfer) und/oder Größenwahnsinnige... | ANDREAS BEE | Du hast in Berlin bei Wolfgang Petrick* Malerei studiert. [...] Was hat Dich bewogen, die Malerei aufzugeben und Dich ganz auf die Zeichnung zu konzentrieren? |
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ALEXANDER ROOB | In der zum Teil sehr großformatigen Malerei, die ich damals betrieben habe, war ich eigentlich zum Schluß nur noch am Übermalen, da ich zu faul war, mir ständig neue Formate aufzuspannen. [...] Mit der Renovierung eines Hauses [...] konnte [ich] meinen körperlichen Drang, große Formate mit Farbmasse zu stopfen, durch Putz- und Maurerarbeiten abreagieren. [...] | ||||||
* "... hineingeraten"?? * "... Kanonenfutter"?? |
Retrospektiv kam dann auch die Einsicht dazu, daß dieser Malereisturm, in den ich in Berlin hineingeraten* bin, in dem jeder von dem Wahn befallen war, er erfindet jetzt die Malerei ganz neu, daß das nicht das Ding unserer Generation war, sondern das Ding der Generation Baselitz. Wir waren im Grunde nur das Kanonenfutter.* [...] | ||||||
* Wer so sehr Opfer ("Kanonenfutter") geworden ist, interessiert sich natürlich für ein armes Medium... |
Jedenfalls ist mir die Zeichnung als armes* Medium plötzlich wesentlich sympathischer und möglichkeitsreicher erschienen als die abgewirtschaftete Malerei. [...] | ||||||
Bis ich mich allerdings von den zeichenhaften Anschauungen und den Zwängen des Einzelbildes lösen konnte und zum Prinzip der sequentiellen Zeichnung vorgestoßen bin, sind Jahre vergangen. Wesentlich dafür war der Entschluß, mit meiner Arbeit den fixen Standort zu verlassen, das Atelier bzw. den Zeichentisch, diese Marterstätten aller brütenden Künstler. [...] Das war um 1990. Seither bin ich im Grunde mit meiner Arbeit unterwegs. |
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weitere Doppelseite mit Zeichnungen aus: Richter zeichnen von Alexander Roob |
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* Wie geht man mit vielen, sehr vielen, Zeichnungen um, ohne das es langweilig wird?. In Ausstellungen und in Katalogen... wie hier, mit 158(!) Abbildungen von Zeichnungen. |
ANDREAS BEE | Durch eine Art besinnungslosen Vielzeichnens"* versuchst Du den normalerweise zwischen Auge und zeichnender Hand vermittelnden Willen auszuschalten. Wie kann man sich das vorstellen? Gerätst Du dabei kurzzeitig in eine Art Trance? |
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ALEXANDER ROOB | Trance" klingt mir etwas zu geheimnisvoll. Es handelt sich um einen sehr gelösten Zustand, in dem die Dinge nicht mehr vorgewußt auf einer zeichenhaft sprachlichen Ebene wahrgenommen werden, sondern sich in reine Bewegungsabläufe aufzulösen beginnen. Bonnard hat das den Zustand der ersten Vision genannt, in dem man die Dinge so sieht wie in dem Moment, wenn man einen Raum das allererste Mal betritt. | ||||||
[...] Es gelingt mir dann wie von selbst, einen situativen Komplex in seiner Gesamtheit zu erfassen und zwar nicht auf einen Schlag, sondern in einer synchronen Dauer. Es handelt sich um einen Zustand der Synchronizität, für den man neuerdings den Begriff Flow" gefunden hat. Allein im Atelier in einen solchen Zustand zu geraten, ist relativ einfach. Als Zeichner im Außenraum bin ich jedoch ausgeliefert und stehe selbst unter permanenter Beobachtung. Da gibt es physische und psychische Barrieren zu überwinden. Aber gerade dieses oft lästige Mitempfinden der eigenen Präsenz am Ort macht die Sache auch ungeheuer spannend und wirkt sich ganz direkt auf die Zeichnung selbst aus. In der Fotografie ist das überhaupt nicht der Fall. Die Präsenz des Fotografen beschränkt sich, neben der Bildauswahl und dem Festlegen eines Ausschnitts darauf, auf den Auslöser zu drücken. Wenn er Pech hat, wird er selbst dabei erschossen, aber das spielt für den Prozeß des Fotografierens überhaupt keine Rolle. [...] |
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ANDREAS BEE | Was hältst Du eigentlich von den Fotos,* die Axel Schneider von Dir bei der Arbeit gemacht hat? |
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ALEXANDER ROOB | Mir gefallen die sehr gut. [...] Und es gefällt mir, wenn das Medium der Zeichnung ganz selbstbewußt neben den technischen Medien der Wirklichkeitserfassung auftaucht und mit ihnen kommuniziert und konkurriert. In einer Situation, in der die Möglichkeiten von Fotografie und Film zu implodieren beginnen und die Grenzen der Aufmerksamkeitserregung erreicht werden, ist es angebracht, daß... [...] |
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ANDREAS BEE | Normalerweise erfaßt Du alles Sichtbare und Unsichtbare mit der Konturlinie. Bei manchen Bildern von Richter, die in einer weichen und die Konturen verwischenden Maltechnik angelegt sind, hat dies aber wohl nicht mehr funktioniert. Gerade in der Nahsicht auf die Bilder hast Du dann eine Art pointillistischer Technik angewandt. Man hat den Eindruck, als hätte sich die Linie in Punkte verflüssigt. Das ist - soweit ich sehe - neu in Deiner Arbeit. War dieses Ergebnis auch für Dich überraschend? |
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ALEXANDER ROOB | Ja. Ich hatte keinen Plan, wie ich den Bildern begegnen kann. [...] | ||||||
Anfangs habe ich die Bilder nur aus der Entfernung gezeichnet, wo die Konturlinie noch greift. Als ich mich ihnen dann immer weiter genähert hab, hat sie ausgesetzt. |
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weitere Doppelseite mit Zeichnungen aus: Richter zeichnen von Alexander Roob |
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Im Verlauf der Jahre hat sich bei mir eine Zeichentechnik heraus- kristallisiert, bei der der Stift wie ein Pendel von der Hand herabhängt. Das ermöglicht mir, Zeichnungen zu realisieren, die keiner Richtungs- präferenz* mehr unterworfen sind. Wenn ich den Stift damit in einer bestimmten Schräglage gegen die Fliefrichtung führe, fängt er an zu springen. Das ist fast synchron zu dem Verziehen der nassen Ölfarbe, das Richter betreibt, um diesen Weichzeichnereffekt zu erzielen. Es handelt sich dabei also im Grund um ein unbewußtes Nachäffen auf der Effektebene. |
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ANDREAS BEE | Hin und wieder werden Deine Zeichnungen durch Blätter unterbrochen, auf denen sich eine schlaufenbildende Linie über das Ganze zieht. Was hat es mit diesen Linien auf sich? |
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ALEXANDER ROOB | Die Schlaufen sind eine Art Abtastung und Eingrenzung des Wahrnehmungsgebiets. Diese Eingrenzungen oder Fixierungen sind aber nur transitorisch und verfließen im nächsten Moment schon wieder. Im Grund sind es Übergänge einer Fokussierung in eine gleitende Blickbewegung und umgekehrt. [...] |
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ANDREAS BEE | [...] Warum ist für Dich die Zeichnung und nicht etwa die Fotografie ein aktuelles Medium? |
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* Fernsehen fördert eine Form der Wahrnehmung, die auf selbstverständliche Weise körperlicher ist ? |
ALEXANDER ROOB | [...] Indem ich zeichne, löse ich mich aus den fokussierenden, an sich reißenden Wahrnehmungsreflexen und überführe scheinbar starre Dinge in fließende, rhythmische Vorgänge. [...] ... und das betrifft nicht nur die Herstellung, sondern auch die Betrachtung einer Zeichnung. Die Wahrnehmung hat sich für meinen Begriff in den letzten Jahren ganz grundlegend verändert. [Ach!? Mal eben eine fixe Evolution, die außer A.Roob niemand mitbekommen hat? Oder meint er SEINE Wahrnehmung?] Sie ist flüssiger geworden, prozessualer und auf eine sehr selbstver- ständliche Weise körperlicher.* Zeichnen ist wie ein erweitertes Sensorium und reagiert ganz unmittelbar auf körperliche Befindlichkeit. Sie ist in der Lage, seismographisch die spezifischen Spannungen unterschiedlicher Orte und Ereignisse zu protokollieren. Eine Zeichnung, die ich im Operationssaal mache, hat einen völlig anderen Charakter, eine ganz andere Linienführung als eine Zeichnung, die in der Börse entstanden ist oder im MMK. Da gibt es einen Grad an Objektivität, von dem die technischen Medien nur träumen können. [...] |
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* ... gar nicht so schlechte Propaganda nur darf man keine 10 Sekunden drüber nachdenken... |
Diese kontrahierten visuellen Medien, Fotografie und Film, die greifen für mein Gefühl gerade in Bezug auf das körperlichere Verhältnis zur Wirklichkeit, das wir zu entwickeln beginnen, nicht mehr richtig. Sie sind auf dem Weg in die Rückständigkeit.* [...] Sicher reicht es nicht, jetzt einfach die alte Handzeichnung aus der Mottenkiste zu holen. Es braucht neue Konzepte dafür, und die Doktrinen des letzten Jahrhunderts müssen vom Tisch. |
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ANDREAS BEE | Welche sind das? |
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* So hat z.B. ein Künstler namens Roob eine Zeichentechnik etabliert, bei der der Stift wie ein Pendel von der Hand herabhängt, damit seine Zeichnungen keiner "Richtungs- präferenz" mehr unterworfen sind... Zudem schwärmt er für die situationistische Technik des Dérive" ... |
ALEXANDER ROOB | Doktrinen der Authentizität, der falschen Ausdruckskunst, Zeichnung als andere Sprache, Zeichnung als selbsttherapeutische Geheimschrift, pseudo-archaischer Kitsch, Hieroglyphik aller Art, genialische Skizzen, Art-Brut-Schemen, zirkuläre Fluxusspielchen und so weiter. Die panische Furcht der Moderne vor Virtuosität hat zu lauter erstarrten, akademischen Floskeln der Ungelenktheit* und der vorgetäuschten Naivität* geführt. |
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Ich plädiere für Zeichnungen, die gerade nicht auf Effekte* und Posen* aus sind. Diese prätentiöse Vorstellung von Künstlerzeichnung, die herumspukt und einem ständig auf Schritt und Tritt begegnet, die hat längst ihre eigene Virtuosität entfaltet.* | |||||||
* Siehe Anmerkung eins höher. |
Unter Virtuosität verstehe ich eine Manier, die den Bildraum nicht klärt, sondern die im Sinne einer "Handschrift"* an der räumlichen Extension vorbeiarbeitet. [...] |
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ANDREAS BEE | [...] Welchen Künstler schaust Du Dir immer wieder gerne an? |
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ALEXANDER ROOB | [...] Ich halte Buffet heute für den mit weitem Abstand spannendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. [...] | ||||||
* 1956 wurde er gar als Comic-Leser an den Pranger gestellt... na, dass interessiert mich heute so gar nicht mehr... heute ist es Mode, sich zu Comics (und Fußball) zu bekennen. Die Ablehnung von Buffet ist als Thema nur für eine bestimmte Generation spannend... |
In der Zeit als Buffet von der Kunstkritik als Kitschier" verdammt worden ist, als Maler für die Massen und Verräter an der existenzialistischen Sache - in einer Spiegel-Titelgeschichte von 1956 wurde er gar als Comic-Leser* an den Pranger gestellt, was wie ein Todesurteil war in dieser Zeit, da war Buffet schon längst im Pop-Bereich. Früher europäischer Pop, das ist Buffet für mich. Viel früher als der Kapitalistische Realismus z. B. und viel radikaler als die malerischen Provokationen der 80er, als End-Art oder Mühlheimer Freiheit. Bernard Buffet ist einfach der Hammer. Grunge" von der besten Sorte. Ich mag seine Malerei. [...] |
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